Wir haben am 27. November ein erstes Treffen mit interessierten Mithelfern.
Tisch für zwei

Tisch für zwei: Zuhören als Akt der Solidarität
Ein Rückblick auf bewegende Gespräche bei der emsiana 2025
Im Rahmen des Kulturfests emsiana 2025 hat das Literaturhaus Vorarlberg uns zu einem besonderen Format eingeladen: dem „Tisch für zwei“. Vier Räume, vier Tische, vier Geschichten – und unzählige stille Momente, die lange nachhallen.
Das Konzept ist so simpel wie stark: Zwei Menschen, ein Tisch, ein Gespräch. Kein Publikum, keine Bühne – nur gegenseitige Offenheit und echte Neugier. Besucher:innen konnten sich zu einem persönlichen Gespräch anmelden, um mit inspirierenden Persönlichkeiten über das Jahresthema „Überfluss und Mangel“ zu sprechen.
Armut, die man nicht sieht – Gespräch mit Jürgen Burger (miralle)
„Armut hat viele Gesichter“, sagt Jürgen Burger, Obmann unseres Vereins miralle. Im Gespräch erzählte er, wie schnell Menschen in Notlagen geraten können – oft durch Krankheit, plötzlichen Jobverlust oder familiäre Krisen. Besonders erschreckend: Viele Betroffene fallen durch das soziale Netz, weil sie „formal“ keine Ansprüche mehr haben oder sich schlichtweg nicht trauen, um Hilfe zu bitten.
„Wir erleben immer wieder, dass Menschen ihre Wohnung verlieren, weil ein einziges Monatseinkommen ausbleibt“, so Jürgen. miralle hilft dann – mit Mietzuschüssen, Lebensmittelgutscheinen oder auch mit einem offenen Ohr. 100 % ehrenamtlich, direkt, diskret.
Zeit schenken – Gespräch mit Gernot Jochum (Zeitpolster)
Zeit ist oft das Wertvollste, was wir geben können. Gernot Jochum stellte das Vorsorgemodell Zeitpolster vor: Wer heute älteren oder pflegebedürftigen Menschen Zeit schenkt – z. B. für einen Spaziergang, Hilfe im Alltag oder Zuhören – „spart“ diese Zeit für sich selbst. Im Alter kann man sie dann einlösen, wenn man selbst Unterstützung braucht.
Über 5.000 Menschen machen bereits mit. In sieben Bundesländern und in Liechtenstein ist Zeitpolster aktiv – eine stille Bewegung, die das Miteinander in unserer Gesellschaft revolutioniert.
Wenn das Leben zu viel wird – Gespräch mit Julia Hofer (vielzuviel)
Julia Hofer weiß, wie belastend Überfluss sein kann – vor allem, wenn er sich nicht nach Reichtum anfühlt, sondern nach Chaos, Erschöpfung und innerem Druck. Mit ihrem Projekt vielzuviel hilft sie Menschen, Ordnung in überquellende Räume, To-do-Listen und Gedanken zu bringen.
Im Gespräch erzählte sie davon, wie befreiend es sein kann, auszumisten – im Außen wie im Innen. Und dass „zu viel“ nicht immer materiell sein muss: Es kann auch die ständige Erreichbarkeit, das Multitasking oder die Erwartung an uns selbst sein. Eine Einladung, loszulassen.
Demenz begegnen – Gespräch mit Sabine Romanowski (Aktion Demenz)
Sabine Romanowski begleitet seit Jahren Menschen mit Demenz und deren Angehörige – beruflich wie persönlich. Am Tisch sprach sie darüber, wie wichtig Flexibilität, Geduld und Verständnis sind – besonders in einem System, das oft zu starr und überfordert ist, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.
Sie zeigte auf, welche Teilhabe- und Unterstützungsangebote es in Vorarlberg bereits gibt – und wie oft es an der nötigen Information fehlt. Für viele Besucher:innen war es das erste Mal, dass sie so offen und direkt über das Thema sprechen konnten. Ein Gespräch, das oft in Nachdenklichkeit endete – aber auch mit einem Funken Hoffnung.
Ein Tisch. Zwei Stühle. Eine Begegnung.
Der „Tisch für zwei“ war ein Ort, an dem das Zuhören gefeiert wurde – als aktiver Akt der Mitmenschlichkeit. Die Themen waren schwer, die Stimmung aber leicht – getragen von echtem Interesse, ehrlicher Offenheit und einer stillen Verbindung zwischen Fremden, die sich für 30 Minuten begegnen durften.
Danke an alle Beteiligten, die diese Gespräche möglich gemacht haben – und an alle Besucher:innen, die den Mut hatten, sich auf sie einzulassen. Es war ein Tag voller leiser Intensität – und ein starkes Zeichen dafür, wie sehr unsere Gesellschaft echte Begegnung braucht. Wir sind gerne wieder dabei!